06.10. Erntedankfest

Biblische Wurzeln des Erntedanks

Die Tradition des Dankens für die Ernte findet sich bereits im Alten Testament. Im 5. Buch Mose (Deuteronomium 16, 13–15) wird das Laubhüttenfest beschrieben, das als Erntedankfest gefeiert wurde:
„Sieben Tage sollst du das Laubhüttenfest halten, wenn du den Ertrag deiner Tenne und deines Kellers eingesammelt hast. Du sollst fröhlich sein bei deinem Fest, du, dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, der Levit, der Fremde, der Waise und die Witwe, die in deinen Toren wohnen.“ (Dtn 16, 13-14)

Hier zeigt sich, dass das Erntedankfest nicht nur eine Gelegenheit war, sich an den Gaben der Natur zu erfreuen, sondern auch, sie zu teilen und in Gemeinschaft zu feiern. Dieses biblische Gebot erinnert uns daran, dass alles, was wir haben, letztlich Geschenk Gottes ist und dass es unsere Aufgabe ist, mit diesen Gaben verantwortungsvoll umzugehen und sie gerecht zu teilen.

Auch das Neue Testament spiegelt diese Haltung der Dankbarkeit wider. In 2. Korinther 9, 10-11 schreibt der Apostel Paulus: „Gott aber, der Samen darreicht dem Sämann und Brot zur Speise, wird auch euren Samen darreichen und mehren und die Früchte eurer Gerechtigkeit wachsen lassen. In allem werdet ihr reich gemacht, zu aller Freigebigkeit, die durch uns Gott Dank sagen lässt.“ Hier wird betont, dass es Gott ist, der uns mit allem Nötigen versorgt, und dass diese Versorgung Anlass zur Großzügigkeit und zum Danken gibt.

Die Tradition der Kirche

In der christlichen Tradition hat sich das Erntedankfest über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Während die genauen Formen des Festes variieren, bleibt die Grundidee immer dieselbe: Wir danken Gott für die Ernte und seine Schöpfung. In vielen katholischen Pfarreien wird der Altar mit Früchten und Erntegaben geschmückt, um symbolisch den Dank der Gläubigen darzustellen. Diese Gaben werden oft an Bedürftige verteilt, was die christliche Nächstenliebe in den Mittelpunkt stellt.

Papst Johannes Paul II. hat einmal gesagt:
„Das Erntedankfest erinnert uns daran, dass der Mensch der Erde das Leben verdankt, aber vor allem Gott, der die Erde und den Menschen geschaffen hat. Dieses Fest lädt uns ein, das Staunen über das Wunder des Lebens neu zu entdecken.“

Erntedank ist somit nicht nur ein Fest des Dankens für materielle Gaben, sondern auch ein geistliches Fest, das uns an die Verantwortung erinnert, die wir gegenüber der Schöpfung und unseren Mitmenschen haben.

Der Ursprung des Erntedankfestes

Die Wurzeln des Erntedankfestes reichen weit in die vorchristliche Zeit zurück, als die Menschen Feste zu Ehren ihrer Götter feierten, um für eine gute Ernte zu danken. Mit der Christianisierung Europas wurden viele dieser Bräuche übernommen und ins Christentum integriert. In Deutschland begann sich das Erntedankfest im Mittelalter fest im kirchlichen Jahreskalender zu etablieren.

Auch heute noch wird in vielen ländlichen Gemeinden das Erntedankfest mit Prozessionen, Festmessen und Volksfesten begangen. Dabei wird die Dankbarkeit gegenüber Gott für die Ernte des Jahres sichtbar ausgedrückt. Es ist ein Fest, das sowohl die Fülle der Natur als auch die göttliche Fürsorge feiert.

Erntedank: Eine Zeit des Nachdenkens und der Umkehr

Erntedank ist aber auch eine Zeit des Nachdenkens. In einer Welt, in der viele Menschen an Hunger und Armut leiden, erinnert uns dieses Fest daran, wie gesegnet wir sind und wie wichtig es ist, diesen Segen zu teilen. Der heilige Franz von Assisi, der Patron der Schöpfung, hat gelehrt, dass wir nicht nur die Gaben der Natur dankbar empfangen sollen, sondern auch unsere Verantwortung für deren Erhalt und den Schutz der Umwelt ernst nehmen müssen.

In Zeiten des Klimawandels und der zunehmenden ökologischen Herausforderungen lädt uns das Erntedankfest ein, über unseren Umgang mit den Ressourcen der Erde nachzudenken. Papst Franziskus betont in seiner Enzyklika Laudato Si‘, dass der Schutz der Schöpfung eine zentrale Aufgabe für Christen und die gesamte Menschheit ist. Erntedank ist daher auch ein Aufruf zur Umkehr, zu einem Lebensstil, der im Einklang mit der Natur steht.

Fazit

Das Erntedankfest ist mehr als nur ein traditionelles Fest. Es ist ein tiefes Zeichen des Glaubens, der Dankbarkeit und der Verantwortung. Es erinnert uns daran, dass wir nicht nur Nehmer, sondern auch Verwalter der Schöpfung sind. Und es ruft uns dazu auf, mit dem, was uns gegeben ist, achtsam und großzügig umzugehen.

In diesem Geist wollen wir das diesjährige Erntedankfest begehen – mit einem Herzen voller Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns reichlich beschenkt, und mit offenen Händen, um diesen Segen mit anderen zu teilen.

Gott, wir danken Dir!