2. Advent:
Adventsbetrachtung zum 2. Adventssonntag: „Warten vor der leeren Krippe“
„Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ (vgl. Lk 3,4)
Der Advent ist eine Zeit des Wartens – aber was bedeutet dieses Warten eigentlich? Warten kann mühsam sein, wenn es von Ungewissheit begleitet wird. Warten kann aber auch erfüllt sein von Vorfreude, wie ein Kind, das sich auf Weihnachten freut. Inmitten dieser Spannung stehen Maria und Josef. Stellen wir uns vor, wie sie vor einer leeren Krippe stehen. Noch ist der Stall leer, noch ist nichts von dem Kind zu sehen, das die Welt verändern wird. Und doch wissen sie: Es wird kommen!
Das leere Zentrum – Ein Bild für unsere Erwartung
Die leere Krippe symbolisiert eine Leerstelle – und diese Leere kann in uns ganz unterschiedliche Gefühle auslösen. Leere kann uns beunruhigen, weil wir sie nicht aushalten wollen. Sie konfrontiert uns mit unseren eigenen unerfüllten Sehnsüchten, offenen Fragen und ungeklärten Wegen. Aber Leere kann auch ein Raum der Verheißung sein, der uns offen hält für Neues.
Maria und Josef stehen vor der Leere, aber sie wissen, dass sie nicht leer bleibt. Sie schauen nicht weg, sondern bleiben stehen. Sie bereiten die Ankunft des Herrn vor – durch Warten, Hoffen und Tun. Hier zeigt sich die tiefe geistliche Dimension des Wartens: Es ist nicht Passivität, sondern eine aktive Haltung der Wachsamkeit. Auch wir stehen vor vielen „leeren Krippen“ in unserem Leben: unerfüllte Wünsche, ungelöste Konflikte, ungeklärte Zukunftsfragen. Doch die leere Krippe will uns nicht lähmen, sondern einladen, in Geduld und Vertrauen zu warten.
Maria und Josef als Vorbilder des Wartens
Was geht wohl in Maria und Josef vor, als sie in diesen Stall kommen? Möglicherweise hatten sie andere Vorstellungen davon, wo das Kind geboren werden würde. Kein gemütliches Heim, kein sicherer Ort, sondern ein Stall. Doch anstatt zu klagen, richten sie ihre Aufmerksamkeit auf das, was sie tun können: Sie schaffen Raum, machen es warm und bereiten die Krippe vor. Diese Haltung der Hingabe und Bereitschaft ist auch für uns ein Vorbild.
Maria und Josef warten nicht passiv, sondern sie gestalten ihr Warten. Ihr Warten ist von Liebe getragen. Sie wissen: Wer liebt, wartet geduldig. Wer liebt, bereitet Raum. Im Advent sind auch wir eingeladen, innerlich „Platz zu schaffen“. Vielleicht müssen wir dazu erst einmal das „Gerümpel“ beiseite räumen – Sorgen, Ängste, Zerstreuungen –, um das Wesentliche wieder sichtbar zu machen.
Die Adventszeit ist eine Zeit des Ordnens, eine Zeit der inneren Reinigung. So wie Maria und Josef die Krippe vorbereiten, so können auch wir in unserem Inneren Platz für Christus schaffen. Das erfordert keine große Anstrengung, sondern nur die Bereitschaft, Gott wirken zu lassen. Er kommt nicht in einen Raum, der bereits vollgestellt ist mit allem Möglichen. Er kommt dorthin, wo Platz ist – auch wenn es nur ein einfacher Stall ist.
Warten im Vertrauen – Die Freude der Verheißung
Ein Schlüssel zum Verständnis der Adventszeit liegt in der Verheißung. Maria und Josef wissen: Gott hat etwas Großes angekündigt. Diese Verheißung hält sie wachsam. Sie wissen nicht genau, wie es geschehen wird, aber sie vertrauen. Auch unser Warten ist von Verheißungen getragen.
Wie oft warten wir im Alltag ohne Ziel oder ohne Gewissheit, ob das, worauf wir warten, überhaupt eintrifft. Das Adventswarten ist anders. Es ist ein Warten in Hoffnung. Wir wissen: Er kommt! Dieses Wissen verändert die Art des Wartens. Es verwandelt unser Warten von einem „Aushalten“ in ein „Erwarten“. Es ist wie das Warten auf einen lieben Gast, von dem man weiß, dass er unterwegs ist. Die Vorfreude wächst, je näher er rückt.
Deshalb ist das christliche Warten im Advent keine bedrückende Zeit des Mangels, sondern eine Zeit der Vorfreude. Die Dunkelheit dieser Tage wird von der Verheißung des Lichts durchbrochen.
Die Einladung zum fröhlichen Warten
Advent ist nicht die Zeit der Vollendung, sondern der Erwartung. Und doch sind wir eingeladen, diese Erwartung fröhlich zu gestalten. Maria und Josef stehen vor der leeren Krippe – und auch wir stehen davor. Aber während wir vor ihr stehen, dürfen wir uns schon freuen. Sie bleibt nicht leer! In der Krippe wird bald das Kind liegen, das Licht der Welt, der Retter der Menschen.
Diese Gewissheit darf uns ermutigen, unser Warten mit Freude zu füllen. Vielleicht können wir die kommenden Tage nutzen, um die „leeren Krippen“ in unserem Leben zu betrachten. Wo fühlen wir uns leer? Wo sehnen wir uns nach Erfüllung? Und wo können wir, wie Maria und Josef, schon jetzt Raum schaffen und Vorbereitungen treffen? Es geht dabei nicht um äußeren Perfektionismus, sondern um eine innere Haltung der Achtsamkeit und Offenheit.
Die leere Krippe bleibt nicht leer. Gott wird Mensch. Das ist die größte Verheißung der Menschheitsgeschichte. Und Maria und Josef zeigen uns, wie wir uns auf dieses Wunder vorbereiten können: durch Warten, Vertrauen und das Schaffen von Raum.
Schlussgedanke – Die Kraft des Wartens
In einer Welt, die auf Sofortigkeit getrimmt ist, ist Warten eine Provokation. Alles soll schnell gehen: Nachrichten, Bestellungen, Antworten. Doch die wesentlichen Dinge des Lebens brauchen Zeit. Ein Kind wächst neun Monate im Verborgenen, ein Samenkorn keimt still in der Erde, eine Beziehung wächst in den Tiefen des Alltags. Warten ist heilig, wenn es von Vertrauen und Geduld getragen ist.
Der zweite Advent ruft uns auf, neu auf das Warten zu schauen. Es ist kein Leerlauf, sondern eine heilige Zeit. Maria und Josef stehen vor der Krippe, aber sie stehen nicht verzweifelt davor. Sie stehen da in der Gewissheit, dass sie bald ein Kind in die Arme schließen werden. Und so können auch wir inmitten des Trubels und der Unruhe dieser Zeit still und wachsam bleiben.
Die leere Krippe lädt uns ein, innerlich Platz zu schaffen. Noch ist sie leer, aber das muss uns keine Angst machen. Sie wird bald gefüllt sein mit Licht und Leben. Seien wir wie Maria und Josef – stehen wir vor der Krippe, aber stehen wir in Hoffnung und Vertrauen.
„Bereitet dem Herrn den Weg!“ – Ja, das dürfen wir. Mit jedem Gebet, mit jedem Moment der Stille, mit jeder guten Tat schaffen wir Raum für Christus in der Welt. So wird die leere Krippe zur Hoffnung auf Fülle.
Eine Einladung an die Pfarreiengemeinschaft
Liebe Schwestern und Brüder,
lassen Sie uns an diesem zweiten Adventssonntag bewusst einen Moment innehalten und die leeren Krippen in unserem Leben betrachten. Was können wir tun, um Platz zu schaffen? Welche Sorgen, Ängste oder Lasten könnten wir loslassen? Vielleicht können wir mit kleinen, konkreten Gesten der Liebe Raum schaffen – im eigenen Herzen und bei unseren Mitmenschen.
Lassen wir uns von Maria und Josef inspirieren, die vor der leeren Krippe stehen und doch wissen: „Gott erfüllt seine Verheißung.“ Ihr Beispiel möge uns stärken, damit auch wir mit Vertrauen und froher Erwartung dem Kommen des Herrn entgegengehen.
Ich lade Sie ein, die kommende Woche bewusst als Zeit des frohen Wartens zu gestalten. Vielleicht durch einen Moment der Stille am Abend, durch ein Gebet oder durch einen kleinen Dienst der Liebe an einem Mitmenschen. Die Krippe mag noch leer sein – aber das Kind kommt!
„Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Bedrängnis, beharrlich im Gebet.“ (Röm 12,12)
In dieser Haltung wünsche ich Ihnen allen eine gesegnete Adventszeit.
Ihr Pfarrer Pater Paul