Hirtenbrief von Bischof Rudolf Voderholzer
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Der Hirtenbrief des Bischofs
Liebe Kinder, liebe Jugendliche und erwachsene Schwestern und Brüder im Herrn!
1. „Dieser ist mein geliebter Sohn. […] Auf ihn sollt ihr hören!“ (Mt 17,5) Diese Worte des Vaters auf dem Berg der Verklärung gelten den Aposteln. Sie gelten Mose und Elja, den wichtigsten Vertretern des Alten Bundes. Und sie gelten auch mir und Dir.
Auf Jesus hören. Sich ihm anvertrauen. Ihn als besten Freund mit ins Leben nehmen. Von ihm her leben, das ist das Fundament des Christseins, das Fundament der Kirche.
Jesus ist das Evangelium in Person. Kirche wächst durch das Hören auf ihn, durch die Nachfolge, durch ein Handeln nach seinen Worten und das Weitersagen seiner Botschaft.
Viele fragen sich: Wie soll es weitergehen mit der Kirche? Das Evangelium des heutigen Sonntags (Mt 17,1–9) gibt uns eine Hilfe: auf Jesus hören und – österlich – seine Botschaft weitertragen. Die erste und wichtigste Herausforderung unserer Tage ist die Neu-Evangelisierung.
2. Neu-Evangelisierung heißt anerkennen: Ja, in jedem Ort steht schon eine Kirche, in jedem Buchladen kann man eine Bibel kaufen. Priester, pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, viele Religionslehrerinnen und Religionslehrer geben sich tagaus tagein Mühe, den Glauben zu erschließen im Schulunterricht und in der Predigt.
Dennoch können wir die Augen nicht davor verschließen, dass die Liebe zu Christus, der Glaube an Gott und die kirchliche Praxis, oftmals müde geworden sind. Viele unserer Zeitgenossen empfinden den Glauben eher als eine Last denn eine Quelle der Freude. Ich weiß, dass manche skeptisch sind gegenüber dem Begriff Neu-Evangelisierung.
Er lenke ab von anderen Themen. Aber die Evangelisierung gehört doch zum Wesen der Kirche. Papst Franziskus ermuntert und ermutigt uns immer wieder, zu evangelisieren, an die Ränder zu gehen, Menschen mit der frohmachenden Botschaft Jesu bekannt zu machen. Wir haben nicht nur eine Mission, wir sind eine Mission.
3. Hin und wieder werde ich gefragt, was das denn nun genau sei, Evangelisierung, und wie ich mir das vorstelle. Ich will darauf einfach mit einigen Beispielen antworten, die mir im Rahmen meiner Pastoralbesuche im Bistum begegnet sind; Beispiele für eine gelungene Evangelisierung, mit altbewährten Formen der Verkündigung und neuen Ideen.
Große Freude bereiten mir die vielen Ministrantinnen und Ministranten, die nicht nur zu einer würdigen Feier der Heiligen Messe beitragen, sondern auch ein Zeugnis für ihren Glauben geben. Danke dafür! In einer Pfarrei haben sie sogar die Sorge um die Weihnachtskrippe übernommen. Und da ist der junge Ministrant, der für den Kreuzweg auf den Kalvarienberg in seiner Filialgemeinde eine Video-Betrachtung aufgenommen hat. Er lädt ein, sich mit Jesus auf seinem Leidensweg zu verbinden und die Auferstehung zu feiern. Auf der Homepage seiner Pfarreiengemeinschaft hat er schon fast 1000 Aufrufe erzielt.
Ich denke an den Gebetskreis, der im Beten seine soziale Verantwortung entdeckt und schon die zweite LKW-Ladung an Hilfsgütern für die Ukraine zusammengebracht hat. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen.
Ein zunächst kirchenferner und nicht getaufter Vater einer Ministrantin erzählt mir, dass er über der Kommunionvorbereitung seiner Tochter so von Jesus fasziniert wurde, dass er jetzt selbst dazugehören will, um die Taufe gebeten und sich auf den Weg gemacht hat: gelungene Evangelisierung, nicht nur der Kommunionkinder.
In etlichen Pfarrgemeinden bieten pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt in der Fastenzeit „Exerzitien im Alltag“ an: Hilfen für die persönliche Schriftbetrachtung, und bei wöchentlichen Treffen wird über die eigene Glaubenserfahrung berichtet und sich ausgetauscht.
In mehreren Pfarreien gibt es mittlerweile auch Erfahrungen mit einer neuen Form von „Volksmission“, wo vor allem auf die persönliche Begegnung bei Hausbesuchen gesetzt wird. Kleine Teams, ein Priester und zwei Leute aus der Pfarrei, gehen bewusst an die Ränder, laden ein zum Gottesdienst. Nicht selten ergibt sich ein Gespräch über den Glauben.
Ein weiteres Feld ist die Kirchenmusik: Vor zehn Jahren wurde das neue „Gotteslob“ eingeführt. Ich freue mich immer, wenn bei Firmungen die Firmbewerberinnen und Firmbewerber ihr eigenes „Gotteslob“ dabeihaben, das sie schon bei der Erstkommunion geschenkt bekamen; wenn dann bei der Firmung auch aus dem „Gotteslob“ gesungen wird und unser Gebet- und Gesangbuch zu einem Lebensbegleiter werden kann. Von einer Kirchenmusikerin höre ich, dass sie in unregelmäßigen Abständen zu Gesangsabenden in die Kirche einlädt, um neue und noch weniger bekannte Lieder aus dem Gotteslob zu erschließen und einzuüben. Auf diese Weise wird die Kirchenmusik zum Medium der Glaubensverkündigung und Evangelisierung gemacht.
Das „Gotteslob“ nicht ersetzen, aber ergänzen möchte ein neues Gebetbuch, das dieser Tage unter dem Titel „Lichterfüllt. Gebete in allen Lebenslagen“ beim Pustet Verlag erscheint, herausgegeben vom Bistum Regensburg. Es möchte Hilfestellungen bieten zum Beten in den Familien, unterwegs, daheim, in Stunden des Glücks und in Stunden der Bangigkeit und der Trauer. Ich werde es am 25. März 2023 im Regensburger Dom anlässlich der Messfeier mit den Gebetsgruppen des Bistums präsentieren. Vielleicht werden auch Sie darin Anregungen finden.
Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt: Wo die „Hauskirche“ lebt, also das Gebet im Alltag geübt, in den Familien gepflegt wird, da wird auch der Glaube bezeugt und weitergegeben. Wo die Hauskirche lebt, lebt auch die Pfarrkirche.
Ich übersehe nicht die deprimierenden Erfahrungen und Misserfolge trotz vieler Bemühungen. Aber wie eine Familie nicht beisammenbleibt, wenn man sich nur auf das Negative fixiert, so kann auch die Familie der Kirche nicht gedeihen, wenn man sich nicht auch am Gelingenden aufrichtet. Bitte, schreiben Sie mir Ihre persönlichen Erfahrungen! Stärken wir uns gegenseitig mit den Hinweisen, wo der Glaube Sie stärkt und wo Kirche wächst.
4. Beim diesjährigen Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler war die Lyrikerin Nora Gomringer zu Gast. Sie bringt in ihren Gedichten ganz bewusst ihren Glauben an Gott „zwischen den Zeilen“ zur Sprache. Einer ihrer Gedichtbände trägt den Titel „Gottesanbieterin“ – ein bemerkenswertes Wortspiel. Es macht auf etwas ganz Wesentliches der Evangelisierung aufmerksam: Wir wollen niemanden unseren Glauben aufdrängen. Aber wovon das Herz voll ist, davon redet doch der Mund. Wir bieten mit unserem Zeugnis den Glauben an, weil wir ihn nicht für uns behalten, sondern teilen wollen mit anderen.
In diesem Zusammenhang erinnere ich gerne auch an eine Initiative aus der anglikanischen Kirche im Nachgang zur Corona-Pandemie. Unter dem Leitmotiv „Back to Church on Sunday“ (zurück zur Kirche am Sonntag) ergeht der Aufruf an alle Gläubigen: „Invite someone you know to something you love!“ – „Lade jemanden, den du kennst, zu etwas ein, das du liebst!“ Dieser Jemand sind z.B. Bekannte, Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen. Die geliebte Sache ist der ganz normale Sonntagsgottesdienst, wo unter der oft unscheinbaren Oberfläche etwas Großes und Wunderbares geschieht: Begegnung mit dem lebendigen und lebenschaffenden Gott, wonach sich viele sehnen.
Gehen wir, gehen Sie an die Ränder! Es gibt Menschen, die warten darauf, angesprochen und eingeladen zu werden. Zeigen wir ihnen, dass wir unseren Glauben nicht zuerst als Last und Problem sehen, sondern als Quelle des Trostes und der tiefgründenden Freude.
Als ein Hoffnungszeichen werte ich die bisherige Resonanz auf meine Einladung, sich um das Amt der Katechistin / des Katechisten als ein Ehrenamt im Dienst der Evangelisierung zu bewerben.
Voraussetzung für die Evangelisierung ist die Selbstevangelisierung. Also:
- die Verlebendigung der eigenen Freundschaft mit Jesus Christus,
- die Begegnung mit ihm in den Sakramenten der Kirche, vor allem der Eucharistie und im Sakrament der Versöhnung,
- vertiefte Kenntnis der Botschaft der Heiligen Schrift,
- die Pflege und Kultivierung der eigenen Sprachfähigkeit über den Glauben,
- Aufmerksamkeit für die sozialen Nöte und Herausforderungen und
- ein Leben, in dem Wort und Tat zusammenklingen.
Darin zu wachsen und zu reifen, ist Sinn und Zweck der österlichen Bußzeit.
Und dazu segne Euch und Sie alle
der dreifaltige Gott
der + Vater und der + Sohn und der Heilige + Geist!
Regensburg zum 2. Fastensonntag 2023
+ Rudolf
Bischof von Regensburg